#Heldenhacks

Ist Cybermobbing schlimmer als Mobbing auf dem Schulhof?

Auszug aus dem Hörbuch Respekt im Klassenchat

Erschienen am 5. Januar 2023 · Autorin Birte Frey

Fast jede*r kann sich an Geschichten aus der Schulzeit erinnern, als jemand in der großen Pause fertiggemacht wurde. Rückblickend erkennen wir heute: Das war in vielen Fällen Mobbing. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass das Mobbing nicht mehr nur auf dem Schulhof stattfindet. Denn in Zeiten von Internet und Smartphones hört Mobbing auch dann nicht auf, wenn sich die Kinderzimmer­tür schließt. Es geht einfach immer weiter — zum Beispiel in Chat-Gruppen und sozialen Medien.

  

Triggerwarnung

In diesem Blogbeitrag spreche ich auch davon, welche schlimmen Folgen (Cyber-)Mobbing haben kann — bis hin zum Suizid. Falls Sie oder Ihr Kind von Mobbing betroffen sind, lesen Sie diesen Blogbeitrag bitte nur, wenn Sie das emotional gerade aushalten können und zum Beispiel eine unterstützende Person bei Ihnen ist.

  

Ein Thema, das bewegt

Das Thema (Cyber-)Mobbing bewegt uns, weil es bei den Betroffenen ein Leben lang Spuren hinterlässt. In unseren Webinaren stellen Eltern und Pädagog*innen immer viele Fragen zu (Cyber-)Mobbing in der Schule. Eine häufig gestellte Frage: Ist Cybermobbing schlimmer als »normales« Mobbing?

  

Mobbing findet oft online statt

88 Prozent01 der Jugendlichen nutzen das Internet täglich. Ein wichtiger Teil ihres Lebens spielt sich online ab: Im Messenger mit Freund*innen chatten, sich in sozialen Netzwerken über News und Trends informieren und die Zeit mit Videos und Games vertreiben — nicht nur für die meisten Erwachsenen, auch für Jugendliche gehört das zum Leben dazu. Deshalb findet auch Mobbing heute oft online statt.

  

Als Hörbuch anhören

Dieser Blogbeitrag ist ein Auszug aus dem Hörbuch Respekt im Klassenchat — was Eltern über (Cyber-)Mobbing unter Jugendlichen wissen sollten. Falls Sie mehr über das Thema erfahren möchten, können Sie sich das ganze Hörbuch auf Audible anhören.

Gab es in Ihrer Schulzeit Mobbing?

Erinnern Sie sich mal an Ihre Schulzeit zurück. Fällt Ihnen da auch ein Beispiel ein, als jemand aus Ihrer Klasse fertiggemacht wurde? Damit meine ich ausgegrenzt, beleidigt, gedemütigt? Wurden Gerüchte und persönliche Informationen weitergesagt? Wurde der oder die Mitschüler*in eingeschüchtert und bedroht? Landeten die Sportschuhe auf dem Baum oder verschwand das Mäppchen? Wurde er oder sie auf dem Nachhauseweg abgefangen und verdroschen? Das sind typische Mobbing-Handlungen.

Und die Kriterien für Mobbing treffen auch zu? Also: Ungleichgewicht der Kräfte, Wiederholungen der Vorfälle und haben die Täter*innen sich immer die gleiche Person geschnappt? Ihnen fallen sogar mehrere Beispiele ein? Na Halleluja. Und das, wo Mobbing für die Betroffenen lebenslange Folgen hat. Ich meine, wenn schon Sie als wahrscheinlich unbeteiligte Person sich an die Vorfälle noch erinnern, wie präsent ist das im Leben des damals betroffenen Kindes heute noch?

Mobbing hat lebenslange Folgen

Medienpädagoge Philip Behar-Kremer hat dazu eine klare Antwort: »Langzeitmobbing-Betroffene haben ganz oft Langzeitkrankheiten, weil das Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert, weil der Körper so viel mit dem Überleben zu tun hat. Das Erschütternde ist, wenn du in deiner Kindheit mittleres bis starkes Mobbing erlebt hast, ist die Wahrscheinlichkeit, in deinen Zwanzigern eine Depression zu erleiden relativ hoch, plus, dass sich das Mobbing auch fortführt in deinem Beruf.« Das ist so, weil Mobbingbetroffene ihr Verhalten durch das Mobbing so verändern, dass sie oft in Gruppen auffallen und wieder zum Ziel werden. Zu den Langzeitfolgen gehören neben massiven Depressionen laut Behar-Kremer auch Selbstverletzungen. »Und die überflutende Scham die Betroffene empfinden, geht oft mit suizidalen Gedanken einher, manchmal auch vollzogenem Suizid«, ergänzt er.

Warum Cybermobbing so schlimm ist

  

Attacken Tag und Nacht

Und jetzt stellen Sie sich vor, dass das Mobbing nicht nur auf dem Schulhof stattfindet. Denn in Zeiten von Internet und Smartphones hört Mobbing auch nicht auf, wenn sich die Kinderzimmertür schließt. Für Betroffene gibt es überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich den Attacken zu entziehen. Tag und Nacht kommen die gemeinen Nachrichten rein, werden digital montierte Nacktbilder und beschämende Sprüche auf eigens dafür erstellten Fake Accounts auf Social Media gepostet.

  

Bild- und Filmmaterial

Die Wissenschaftlerin Dr. Anja Schultze-Krumbholz setzt sich auf theoretischer Ebene mit dem Thema Cybermobbing auseinander und meint: »Die meisten Betroffenen empfinden Bild- oder Filmmaterialien als am schlimmsten. Die Jugendlichen, die wir dazu gefragt haben, sagen, das liegt daran, dass man Fotos und Videos für bare Münze nimmt. Es ist bei manipulierten Bildern ganz schwer zu beweisen, dass das fake ist.«

  

Online sinkt die Hemmschwelle

Die Hemmschwelle von Täter*innen sinkt online, weil sie ihr Gegenüber nicht direkt sehen. Lediglich die anfeuernden Kommentare der Mittäter*innen sind sichtbar und verstärken den Effekt noch. Oft fühlen Jugendliche sich auch bestätigt, weil von den 500 Follower*innen ja keiner was dagegen gesagt hat. Dann waren ja wohl alle derselben Meinung oder?

  

Probleme mit (Cyber-)Mobbing?

Falls Sie mit Ihrem Kind über (Cyber-)Mobbing sprechen möchten, können Sie sich beispielsweise gemeinsam hier unser Video Es braucht Mut anschauen und als Gesprächsanlass nehmen. Für Pädagog*innen bieten wir auch eine offene medienpädagogische Sprechstunde an. Termine können sie einfach online auf unserer Webseite buchen.

Oft geht das Mobbing online weiter

94 Prozent02 der Jugendlichen haben heute ein Smartphone. Nicht verwunderlich also, dass laut der HBSC-Studie03 Kinder und Jugendliche häufig nicht auf die gleiche Art und Weise zwischen Online- und Offline-Welten unterscheiden, wie es Erwachsene tun. Die Mobbenden sagen ja nicht: Ach, die Miri machen wir nur online fertig, aber ihre Freundin nur offline. Nein, das sind einfach verschiedene Wege, die die Mobbenden nutzen, wie es ihnen in den Kram passt04. Einige Medienpädagog*innen unterscheiden deshalb gar nicht mehr zwischen Mobbing und Cybermobbing.

Was Eltern zum Thema (Cyber-)Mobbing wissen wollen

Ob on- oder offline — Eltern haben noch viele Fragen zu (Cyber-)Mobbing. In unseren Webinaren geht es immer wieder darum:

  • Wann ist es Streit und wann Mobbing?
  • Wie erkenne ich Mobbing im Schulalltag?
  • Wie bringe ich meinen Kindern bei, sich vor Mobbing-Situationen zu schützen?
  • Wie verhält man sich als Elternteil bei Mobbing in der Klasse am besten?
  • Ist Mobbing strafbar?

Deshalb möchte ich Ihnen in unserem Hörbuch Respekt im Klassenchat — was Eltern über (Cyber-)Mobbing unter Jugendlichen wissen sollten darauf Antworten geben und Ihnen erzählen, was Mobbing eigentlich ist, wie Sie reagieren können, wenn es in der Klasse Ihres Kindes Mobbing gibt und was Sie mit etwas Mut gegen Mobbing tun können.

Ihre Autorin

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Birte Frey

Verantwortungsbereich bei den Digitalen Helden
Marketing & Redaktion

Quellenangaben

  1. KIM-Studie 2020, Kindheit, Internet, Medien, Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020   mpfs.de/studien
  2. JIM-Studie 2022, Jugend, Information, Medien, Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2022  mpfs.de/studien
  3. Mobbing und Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Querschnittergebnisse der HBSC-Studie 2017/18 und Trends, Journal of Health Monitoring, Robert Koch-Institut, PDF, 2020   rki.de
  4. The Emotional Impact of Bullying and Cyberbullying on Victims: A European Cross-National Study, Fachbereich Psychologie der Universitäten in Cordoba, Jaen, Seville, Bologna, London, 2013   researchgate.net